Die Europäische Union (EU) garantiert vier Grundfreiheiten, das heißt den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Doch auch wenn die internationale Transport- und Lieferbranche innerhalb der EU bereits vollständig liberalisiert wurde, bestehen stets gewisse Einschränkungen hinsichtlich der Kabotage. Der folgende Beitrag liefert eine Einführung in das Thema Kabotage und nennt wichtige Aspekte, die von Transportunternehmen zu berücksichtigen sind.
Was ist Kabotage?
Unter Kabotage versteht man einen gewerblich durchgeführten Güterkraftverkehr zwischen zwei Orten im selben Land, dem sogenannten Aufnahmestaat, bei Beauftragung eines ausländischen Transportunternehmens.
Ein ausländisches Transportunternehmen, das ein Recht auf die Erbringung von Dienstleistungen hat, verfügt weder über den Sitz noch die Niederlassung in einem beteiligten Aufnahmestaat. Innerhalb der Europäischen Union (EU) definiert sich Kabotage als Binnenverkehr, der von einem im EU-Ausland ansässigen Transportunternehmen in einem anderen EU-Mitgliedsland durchgeführt wird. Um ein Beispiel zu nennen: Ein in Spanien ansässiger Frachtführer übernimmt eine Beförderung zwischen Berlin und Frankfurt am Main.
Hierbei unterscheidet die EU zwei Formen von Kabotage:
- Kleine Kabotage: Sie bezeichnet Transportdienstleistungen, die durch ein ausländisches, in der EU ansässiges Unternehmen innerhalb eines anderen EU-Mitgliedslandes erbracht werden.
- Große Kabotage: Sie bezeichnet Transportdienstleistungen, die durch ein ausländisches, im Drittstaat ansässiges Unternehmen zwischen zwei EU-Mitgliedesländern durchgeführt werden.
Der Begriff Kabotage kommt ursprünglich aus der Schifffahrt und beschrieb am Anfang die Schifffahrt entlang von Küsten. Er lehnt sich an das französische Wort „caboter” an, das sich mit „von Hafen zu Hafen fahren” übersetzen lässt.
Inhalt dieses Artikels
Vor- und Nachteile von Kabotage
Kabotage gewährleistet rentabilitätsoptimierte und umweltschonende Transporte, die sowohl für Unternehmen als auch Endkonsumenten von großem Nutzen sind. Ohne Kabotage müssten Transporteure leer zurückkehren bei gleichzeitiger Tragung der Kosten und Verursachung der verkehrsbedingten Luftverschmutzung. Positive Auswirkungen von Kabotage lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen:
- Erhöhung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit: Die Leerfahrten bedeuten nicht nur hohe Kosten, sondern sie sind auch ineffizient. Kabotage ermöglicht es Transporteuren, ihre Routenplanung gezielt zu optimieren und die Leerfahrten so niedrig wie möglich zu halten.
- Stärkung der Wettbewerbsposition: Dank Kabotage haben Unternehmen, die Transportdienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, eine größere Auswahl an Anbietern, die kostengünstigere Lösungen bereitstellen. Dies überträgt sich auf bessere Preise für Endkonsumenten.
- Wertvoller Beitrag zum Umweltschutz: Die Transport- und Speditionsbranche ist ein großer Umweltschädiger. Kabotage, die unnötige und teure Leerfahrten minimieren lässt, führt in einer langfristigen Perspektive zur Reduktion der menschengemachten C02-Emissionen.
Trotz aller Vorteile, die sich aus Kabotage ergeben, bestehen zwei wichtige Nachteile: Erstens führt Kabotage zum unfairen Wettbewerb zwischen Transportunternehmen verschiedener Staaten, wobei Länder mit höheren Lohn- und Lebenshaltungskosten besonders benachteiligt werden. Zweitens fördert Kabotage die Verlagerung der Transportdienste ins billigere Ausland, was die wirtschaftliche Entwicklung des Heimatlandes hemmen und die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte verschärfen kann.
Kabotageverkehr in der EU
Seit dem 14. Mai 2010 gelten EU-weit einheitliche Regelungen zur Kabotage (Art. 8 ff. Verordnung (EG) Nr. 1072/2009). Auf diese Weise wurden klare gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für Kabotagebeförderungen innerhalb der EU geschaffen. Sie betreffen hauptsächlich folgende Aspekte:
- Anzahl gestatteter Kabotagebeförderungen
- Einzuhaltende Fristen
- Benötigte Beförderungsdokumente
Grundsätzlich gilt das „3 in 7”-Prinzip, wenn es um die Anzahl gestatteter Kabotagebeförderungen geht. Dieses besagt, dass drei Kabotagebeförderungen innerhalb von sieben Kalendertagen erlaubt sind. Sie dürfen im Anschluss an eine beladene grenzüberschreitende Beförderung durchgeführt werden, sofern die transportieren Güter in einem Aufnahmestaat vollständig entladen wurden. Die dreitägige Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der vollständigen Entladung.
Finden Kabotagebeförderungen in mehreren EU-Mitgliedsländern statt, ist das „1 in 3”-Prinzip anzuwenden. Laut diesem darf nur eine Kabotagebeförderung je Mitgliedsland innerhalb von drei Tagen erfolgen. Die Frist beginnt nach der Einfahrt des unbeladenen Transportfahrzeugs in das Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedslandes. Danach muss der Transporteur wieder in seine Heimat zurückkehren oder in ein Land, in dem die Spedition ihren Sitz hat.
Benötigte Beförderungsdokumente
Neben dem oben beschriebenen „3 in 7”- bzw. „1 in 3”-Prinzip müssen Transportunternehmen die rechtlichen Vorgaben in Bezug auf Beförderungsdokumente einhalten. In der Regel genügt ein Frachtbrief als Nachweis von Kabotagebeförderungen. Es handelt sich hierbei um ein Begleitdokument im Frachtverkehr, das nach Artikel 8 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 1072/2009 zumindest die folgenden Angaben enthalten sollte:
- Name, Anschrift und Unterschrift des Transportunternehmens
- Name, Anschrift und Unterschrift des Absenders
- Name und Anschrift des Güterempfängers sowie seine Unterschrift samt Datum (nach erfolgter Entladung)
- Ort und Datum der Güterübernahme sowie die Anschrift der Entladestelle
- Allgemein anerkannte Beschreibung der transportierten Güter und deren Verpackung
- Bruttogewicht der transportierten Güter oder eine sonstige Mengenangabe
- Amtliches Kennzeichen des Transportfahrzeugs und des Anhängers
Für den grenzüberschreitenden Transport, der vor der ersten Kabotagebeförderung stattfindet, bedarf es zusätzlich eines CMR-Frachtbriefes. Handelt es sich dabei um eine unbeladene Einfahrt in ein „Kabotageland“, wird ein CMR-Frachtbrief nicht verlangt. Eine solche Situation weist gleichzeitig darauf hin, dass nur eine Kabotagebeförderung innerhalb von drei Tagen nach dem „1 in 3”-Prinzip gestattet ist. Nachweise für Kabotagefahrten sind entweder in Papierform oder in elektronischer Form zu erbringen.
Änderungen ab Februar 2022
Das am 31. Juli 2020 veröffentlichte „Mobilitätspaket I” führt zu Änderungen in Bezug auf einheitliche Kabotageregelungen, die ab dem 21. Februar 2022 gemeinschaftsweit gelten. Die Rede ist hier von neuen Regelungen in der Verordnung (EU) 2020/1055 zur Anpassung an die aktuellen Entwicklungen im Kraftverkehrssektor. Diese Änderungen betreffen unter anderem folgendes:
Zusätzlich zum oben beschriebenen „3 in 7” bzw. „1 in 3”-Prinzip wird die sogenannte Abkühlphase im Umfang von vier Tagen eingeführt. Diese beginnt, sobald das verfügbare Kabotagepensum in einem Aufnahmestaat aufgebraucht wurde und bedeutet, dass nach Ende der Kabotagebeförderungen keine weiteren mehr durchgeführt werden dürfen. Das Ziel der Abkühlphase ist es, den dauerhaften Kabotagebeförderungen in einem Aufnahmestaat entgegenzuwirken.
Die Änderungen erfolgen ebenfalls beim Vor- und Nachlauf im grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr. Dieser darf nun durch die in der EU ansässigen Transportunternehmen nach Erfüllung spezifischer Voraussetzungen als gesonderter Kabotagetransport eingestuft werden. Bis Februar 2022 war der grenzüberschreitende Kombiverkehr ausschließlich als Teil der grenzüberschreitenden Beförderung angesehen.